Schreinerstraße 47

Das Haus Schreinerstraße 47 war Ende der 1980er Jahre – wie viele andere in Ostberlin – von Leerstand und Verfall geprägt. Nur wenige der 27 Wohnungen waren noch bewohnt. Eine Besserung des baulichen Zustands war durch die finanziell desolate Lage der DDR nicht in Sicht.
Am 29. Dezember 1989 um 16 Uhr besetzte etwa ein Dutzend Menschen eine Wohnung im 3. Stock des Vorderhauses. Sie kannten sich aus der unangepassten Oppositionsbewegung der DDR, waren in der Kirche von Unten und in der Umweltbibliothek aktiv. Innerhalb weniger Wochen wurden auch die anderen Wohnungen des Hauses besetzt.

Besetztes Haus in der Schreinerstrasse 47, 1990. Wenig Autos - keine Bäume Die Straßen sahen 1990 noch ganz anders aus. Zur Sonnenseite stand das Haus damals schon. Foto: privat
Wenig Autos – keine Bäume
Die Straßen sahen 1990 noch ganz anders aus. Zur Sonnenseite stand das Haus damals schon. Foto: privat

In Eigenregie reparierten die Besetzer*innen Wasserstränge, elektrische Anlagen und tauschten kaputte Fenster aus. Mehrere Räumungsaufforderungen der Kommunalen Wohnungsverwaltung blieben ohne Folgen. Nach der Auflösung der Heime für Vertragsarbeiter*innen der DDR vermittelte der Verein Reistrommel e.V. eine Gruppe von vietnamesischer Nachbarn, die für einige Jahre im Haus lebte.

Besetztes Haus in der Schreinerstrasse 47, 1990. Bröckelige Fassade und abgebrochene Balkone. Das Schreinercafé gab es damals noch nicht. Foto: privat
Bröckelige Fassade und abgebrochene Balkone
Das Schreinercafé gab es damals noch nicht. Foto: privat

Die Besetzer*innen beteiligten sich am Aufbau der Druckerei Hinkelstein, und gehörten zu den Erstherausgeber*innen der Besetzer*innen Zeitung. Zu den Erstbesetzern gehörte auch Silvio Meier, der am 21. November 1992 von Neonazis am U-Samariterstraße ermordet wurde. Zwei Begleiter von Silvio aus der Schreiner wurden schwer verletzt. Seit 1992 heißt das Haus „Villa Felix“ – benannt nach dem ersten Kind, das nach der Besetzung geboren wurde.

Besetztes Haus in der Schreinerstrasse 47, 1992. Der erste Nachwuchs. Im April 1992 schon gegendert. Niemand wusste nämlich, ob Mädchen oder Junge. Foto: privat
Der erste Nachwuchs
April 1992 schon gegendert. Niemand wusste nämlich, ob Mädchen oder Junge.
Foto: privat

Das Schreinercafé gehört von Beginn an zur Öffentlichkeits-Struktur der besetzten Häuser und gab der Jugendantifa ein Zuhause.
Erst 1997 konnten Mietverträge abgeschlossen werden. 2003 wurde die Schreiner von der Wohnungsbaugenossenschaft Ostseeplatz e.G. übernommen. 2004/2005 wurde das Haus saniert.
Das Haus hat einen starken künstlerischen Schwerpunkt: Performance, Musik, Konzerte, Party Webdesign, Publizistik. Es stellt aber auch Räume zum Treffen anderen Personen und Initiativen, zum Beispiel Jugendlichen, zur Verfügung.

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