Die Zahl der Hunde verringerte sich in dem Maße, wie die Zahl der Kinder zunahm.
Im August 1989 zogen ca. 15 junge Menschen ohne Mietverträge in das Haus Schönhauser Allee 20 im Prenzlauer Berg ein. Das Gebäude stand auf einer Abrissliste des Ostberliner Magistrats, entsprechend standen die meisten Wohnungen im Haus leer. Um den für Anfang 1990 geplanten Abriss zu verhindern, entschlossen sich die BewohnerInnen, das Haus öffentlich für besetzt zu erklären.
Dies geschah am 22. Dezember 1989. Die Schönhauser 20 und – das ebenso für den Abriss vorgesehene Nebenhaus Schönhauser 21 – waren damit die ersten öffentlich für besetzt erklärten Häuser in Ostberlin. Im Ladengeschäft in der 20 eröffnete ein „Infocafé“, am Tresen lag eine Unterschriftenliste für Menschen aus, welche sich solidarisch erklären wollten.
Weit oben auf dieser Liste fanden sich die Unterschriften zweier Volkspolizisten aus dem benachbarten Polizeirevier.
Die BewohnerInnen der Schönhäuser verstanden sich als Anarchistinnen und planten neben dem baulichen Erhalt der Häuser die Eröffnung eines Infoladens, einer Frauenetage und eines Kinderladens. Bereits im Januar 1990 wurde den BewohnerInnen von Seiten der Kommunalen Wohnungsverwaltung und dem Rat des Stadtbezirks ein Bleiberecht zugesichert. Mit der öffentlichen Besetzung häuften sich die Anfragen weiterer Wohnungssuchender.
Die Schönhauser verortete sich als Projekt von aus der DDR stammenden Menschen und wollte in diesem Land wirksam werden. Lange Zeit wurden daher nur Ostler in die Hausgemeinschaft aufgenommen.
Der Westberliner Senat hatte für die Stadterneuerung in Ostberlin ein 25 Millionen DM umfassenden Förderprogramm beschlossen.Mit Unterstützung der Westberliner Stiftung SPI entstand nach Aufnahme in das Programm eine Planung für die Sanierung der Häuser. Im „Besetzerrat“, einem Gremium vieler besetzter Häuser in Berlin, war die Entscheidung, einen Pakt mit dem kapitalistischen Staat einzugehen, heftig umstritten. Die Menschen in der Schönhauser entschlossen sich dennoch dafür, eröffnete sich doch hier eine realistisch erscheinende Möglichkeit auf den Erhalt der Häuser und die angestrebte Selbstverwaltung.
Unter fachlicher Leitung einer Architektin begann die Sanierungsphase, wobei neben einigen Fremdfirmen die BewohnerInnen selbst auf der Baustelle Hand anlegten. Im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wurden sie dafür entlohnt.
Um als juristische Person gemeinsame Nutzungsverträge abschließen zu können, war der Verein „Revolutionäre HandwerkerInnen“ gegründet worden. Die ursprünglich angestrebten Erbpachtverträge kamen aufgrund unterschiedlicher Rückübertragungsansprüche von Alteigentümern nicht zustande.
Nach der Sanierung erhielten die BewohnerInnen die von der Gemeinschaft ehemals abgelehnten Einzelmietverträge. Die Bewohnerstruktur in den Vorderhäusern blieb in Form von Wohngemeinschaften weitgehend erhalten, zusätzlich waren in den Seitenflügeln der 21 kleine 2-Raumwohnungen und zwei Maisonette- Wohnungen entstanden. Das ehemalige Infocafé in der 20 wurde als „Café Zum Räwier“ als eine der vielen illegalen Kneipen im Kiez weiter betrieben.
Später eröffnete im Nebenhaus der „Sportlertreff“, eine größere Kneipe, in der es auch Live-Musik gab. Daneben gab es für einige Zeit den „Infoladen Bambule“, einen kleinen linken Buchladen.
Die in den frühen 90er Jahren noch prägende politische Orientierung im linken Spektrum verlor im Laufe der Jahre an Bedeutung in den Häusern. Irgendwann gab es dann auch keine wöchentliche Hausversammlung mehr.
Die Zahl der Hunde verringerte sich in dem Maße, wie die Zahl der Kinder zunahm. Inzwischen
wohnen zahlreiche der ursprünglichen BewohnerInnen an anderen Orten, viele Wohnungen sind von Menschen bewohnt, die die Anfänge nicht erlebt haben.
Im Jahr 2019 gab es ein Treffen der ehemaligen Hausgemeinschaft und einiger mit dieser verbundenen verbundenen Menschen. Es war ein angenehmer Abend.