Darf ich mich kurz vorstellen?
Ich bin Polylux. Ich bin ein Tageslichtprojektor, der seit 1969 vom Volkseigenen Betrieb Phylatex-Physikgerätewerk DDR in Frankenberg bei Karl-Marx-Stadt hergestellt wurde und war vor allem in Bildungseinrichtungen der DDR weit verbreitet. Ich war bis 1989 eins von ca. 27.000 hergestellten Geräten pro Jahr. 2004 wurde mein Name sogar als Warenzeichen eingetragen, aber nur noch ca. 6000 Geschwister jährlich erzeugt. Ab 2006 gab es dann auch keine Geschwister mehr. Mein Name stammt übrigens aus dem Griechischen und Lateinischen und bedeutet einfach nur “viel Licht”. Und ich brachte viel Licht in viele dunkle Räume.
Ich persönlich fand Anfang der 90er Jahre, lange bevor es Flipcharts und Beamer gab, widerrechtlich über einen Mitarbeiter eines von der Treuhand zur Abwicklung freigegebenen Betriebes meinen Weg von dort zum Mieterladen in die Bänsch-Straße.
Ich war bei ganz vielen Vorträgen, Veranstaltungen oder bei Protokollführungen der Hauptact. Manchmal schmiss ich einfach auch nur zur Freude aller bunte Bilder an die Wand. Ich durfte viele verschiedene Orte und Menschen im Kiez kennen lernen. Alle hatten mich lieb, bis mich einer nicht mehr nach Hause brachte. Das hat mich so aus dem Ruder geworfen, daß ich nicht einmal mehr weiß, ob ich nun tot bin oder noch irgendwo eingestaubt herumstehe….
So mussten auch wir lernen „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ und seither gibt es eine Ausleihliste. Außerdem starteten wir einen Hilferuf, ob irgendwer, irgendwo einen Polylux kennt, der ein neues Zuhause sucht.
In einem ehemals besetzten Haus in der Kreutziger Straße 19 wohnte damals eine junge Frau, die in Vechta ihr Studium mit Diplom in Agrarwissenschaften absolvierte und 1999 sogar die jüngste Doktorin in Deutschland war. Sie organisierte vor Ort in Vechta für uns diesen Polylux. Auch er wanderte zu vielen verschiedenen Veranstaltungen durch den Kiez. Seine letzten interaktiven Auftritte hatte er im Jahr 2012 im damaligen Hausprojekt Voigtstraße (V36).
Dieser Poly, stellvertretend auch für seinen Vorgänger, hat den Kiez sozusagen mitgestaltet. Er ist irgendwie ein Teil von uns allen. Aber gegen Beamer oder andere moderne Technik kann er einfach nicht anstinken und so wartet er darauf, vielleicht wieder zum Leben erweckt zu werden und sein unglamouröses Dasein auf unserem Küchenschrank im Mieterladen in der Kreutzigerstraße 23 beenden zu können.