Schliemannstr. 39 / LSD
Wir haben unser Haus im Februar 90 als Gruppe von 7 Leuten besetzt. Ziel war: „solidarisches Zusammenleben zu entwickeln, Erprobung neuer Lebensformen, soziale und kulturelle Einrichtungen zu betreiben“ (aus unserer Satzung). So nach und nach merkten wir, wer mit wem konnte, und wer mit wem nicht. Wir saßen unsere Ärsche beim Besetzerrat und später bei Legalisierungsverhandlungen platt und übten uns in mehr oder weniger unkonstruktivem Streit. Oft schmeckte auch das Bier besser als die Arbeit am Haus. Von unseren vielen Projekten stehen unser Cafe „Regenschirm“ und 2 Bandproberäume. Ansonsten sind wir auf dem besten Weg, ein stinknormales Mietshaus zu werden (aus Stattbuch Ost 1991, S. 466-67).
Dieser negative Eindruck setzte sich fort, als nach der Mainzer-Räumung die Solidarität der Häuser im Prenzlauer Berg bröckelte und immer mehr Verträge unterschrieben, als eines der letzten auch wir. Damit verloren wir unseren Anspruch auf gemeinsames Agieren. Einige Leute betrieben unkontinuierlich die später „LSD“ genannte Kneipe weiter , die mit sehr spontanen Hardcore-Konzerten und Techno-Parties eine wichtige Funktion in der damals noch vorhandenen PB-Punx-Szene hatte, aber sich auch ein ständiges Ärgernis eines Teils der Hausbewohner*innen bildete.
Es entwickelte sich ein über weite Strecken angenehmes Zusammenleben mit Leuten, mit denen auch an anderen Punkten zu tun hatte, aber es gab keine vereinende Idee. So war es auch für KirchBauhof GmbH als „Sanierungsträger“ kein Problem, uns ehemalige Besetzer*innen zu spalten und zu vertreiben, weil wir ihren keinen größeren Widerstand mehr entgegensetzen und dem selbstgewählten Motto „Widerstand braucht Phantasie“ nicht entsprechen konnten.
Heute ist die Schliemannstraße 39 ein typisches (schickes?) Haus mit Eigentumswohnungen am Helmi.