Nach der Wende 1989 wurde die Kreutzigerstraße 23 in Friedrichshain, Ostberlin, im Frühjahr 1990 besetzt. Es gab keine Institutionen mehr, die uns aufhalten konnten. Anarchie, ein Leben ohne Herrschaft, ohne Vermieter, ohne staatliche Aufsicht, selbstorganisiert.
Das Haus wurde von völlig unterschiedlichen Leuten besetzt. Es gab anders als zuvor in Kreuzberg keinen wirklichen politischen Konsens. Alles worauf man sich einigen konnte, war, wir sind alle Antifas. Was das inhaltlich bedeutete, wohin es gehen sollte, war nicht selbstverständlich. Es bedeutete endloses Konfliktpotenzial.

Fotos: Marco Krojač

Auch wenn sich die diversen Fraktionen nicht einfach in Ost und West unterteilen ließen, so war dies doch eine wesentliche Ebene der Auseinandersetzung. Es folgten sechs Jahre des Kennenlernens, der Annäherung, der Freude, der Tränen und des Kampfes um das Haus.
Im März 1996 gründeten wir im Haus die Selbstverwaltete Ostberliner GenossInnenschaft. Die Kreutzigerstraße 23 war dann auch das erste Haus der S.O.G. eG. Eine in Haifa lebende Erbin verkaufte das Haus, nach Intervention der Hausgruppe erfreulicherweise an die S.O.G. Das Haus wurde dann in baulicher Selbsthilfe bis 2003 instandgesetzt, selbstbestimmt, unabhängig, selbstverwaltet.

Die KARIBUNI-Bar auf einem inzwischen bebauten Grundstück in der Kreutziger Straße war ein beliebter Anlaufpunkt vieler Besetzer und ihrer Freunde. 1994
Foto: Marco Krojač
Im Haus befindet sich das Büro der S.O.G.eG, der Mieterladen, das Radio Studio Ansage 88,4 und das Theater Vanilla Gorgon. Die S.O.G. hat mittlerweile 6 Häuser. Wir empfinden uns als Teil eines Gegenmodells gegen den Ausverkauf der Stadt.
Der Geist der Besetzer hat sich erhalten und zeigt sich in zahlreichen Initiativen und Aktionen im Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg.

Der Abenteuerspielplatz an der Ecke Kreutziger-, Boxhagener Straße war ein Projekt nicht nur von Besetzern der Kreutziger Straße. Obwohl gut angenommen, wurde er 1995 geräumt.
Foto: Marco Krojač
