Besetzte Häuser und Faschos
Die latent vorhandene faschistische Grundeinstellung eines Teils der Bevölkerung im „antifaschistischen Staat DDR“ zeigte sich in den 80er Jahren zum einen in aggressiven Sprüchen („Euch haben sie doch vergessen zu vergasen“) als auch in Gewaltausbrüchen gegenüber auffälligen Gruppen (Ausländer*innen, Punks, Schwule …).
Insbesondere wurden sie ausgeübt von „Fußballfans“ und Nazi-„Skins“, die von der Justiz, und wenn sie einmal bekannt geworden waren, von der Presse als „jugendliches Rowdytum“ verharmlost wurden.
Im Zuge des Übernahmeprozesses der DDR durch die BRD bildete sich eine nationalpatriotische Stimmung, in der sich die Nazis immer mehr in die Öffentlichkeit trauten und ihr schwachsinniges Gedankengut in Gewalt umsetzten.
Als eines der ersten sichtbaren Ziele ihrer Aktionen boten sich die besetzten Häuser an, in Berlin besonders im Zusammenhang mit Fußballspielen des BFC Dynamo, der damals im Cantianstadion im Prenzlauer Berg spielte. Nach dessen Spielen griffen regelmäßig große Gruppen Hooligans die Häuser besonders in der Schönhauser Allee, in der Kastanienallee und der Lottumstraße an, um anschließend auf dem Alexanderplatz zu randalieren.
Mit der Ausweitung der Besetzer*innenbewegung fanden auch immer mehr Fascho-Überfälle in anderen Stadtbezirken statt, aber auch (linke) Kneipen, Straßenfeste, Jugendclubs und schließlich Ausländerunterkünfte gerieten in den Fokus. Auf Unterstützung durch die zumindest völlig verunsicherte Polizei konnte man natürlich nicht rechnen. Also organisierten Antifa und die Bewohner*innen der Häuser den Selbstschutz mit Barrikaden, Telefonketten, Fahrwachen und militanter Selbstverteidigung, was, wo diese Gruppen stark genug waren, nach und nach eine gewisse Sicherheit bot.
Die Morde an Silvio, Lampe in Magdeburg und vieler anderer durch Nazis konnte das nicht verhindern. Leider gerieten dann immer mehr Asylbewerber*innen in den Mittelpunkt der Angriffe, worauf sich die Bundesregierung mit ihrer de facto-Abschaffung des Asylrechts ein paar Jahre Ruhe verschaffte.
Ein besonderes Problem in Berlin war das durch eine Besetzung zustande gekommene Haus in der Weitlingstraße 122. Es war von Nazis bewohnt und gleichzeitig die Parteizentrale der Nationalen Alternative (NA), der ersten offen rechtsradikalen Partei in der DDR, und entwickelte sich zum Anlaufpunkt von Nazis aus aller Welt und für rechtsgerichtete Jugendliche.
Hier wurden sie geschult, das Haus war ständiger Ausgangspunkt von Überfällen auf Sinti und Roma im Bahnhof Lichtenberg, auf Kneipen und besetzte Häuser. Mit einer großen Demonstration am 23. Juni 1990 wollte ein breites antifaschistisches Bündnis die Aktivitäten aus diesem Haus heraus stoppen. Da aber die Aufrufer*innen aus den bürgerlich-demokratischen Gruppen nicht erschienen, wurde es die erste große autonome Demo im Osten. Die Zentrale der NA wurde von 2500 Polizist*innen beschützt und die Demo durfte nicht daran vorbeiziehen. Ein Teil der Antifaschist*innen, insbesondere Westberliner Männer, so lautete später ein häufig verwendeter Vorwurf, hätten mit sinnloser Militanz auf diese Provokation reagiert.
1991 eröffnete in in der Pfarrstraße 111, ganz in der Nähe der Weitlingstraße und in einer Straße, in der es mehrere besetzte Häuser gab, ein Sozialprojekt zur Sanierung des Hauses, welches auch rechten Jugendlichen Arbeit und Perspektive geben sollte. Diese akzeptierende Jugendarbeit mit rechten Jugendlichen lag damals voll im Trend. Auch verschiedene (ehemalige) Kader der NA erhielten eine Anstellung.
Diese beeinflussten ihre Kollegen, entgegen dem Anliegen des Sozialprojektes, weiter in faschistischer Richtung. In der Pfarrstraße kam es zu regelmäßigen Übergriffen und Straßenschlachten zwischen Nazis und Besetzer*innen, bis ein Teil der Leute der Pfarrstraße 111 entlassen wurde. Auch danach gab es noch Gewalt-Aktionen, aber die permanente faschistische Indoktrinierung der Jugendlichen hörte auf, so dass das ursprüngliche Anliegen des Projektes besser zum Tragen kam.