Rigaer Straße 94, die Flamme der Utopie.
Besetzt wie fast alle Häuser in Ost-Berlin 1990, als die Ostbullen paralysiert waren und für die Westbullen die DDR Ausland war. Die Erstbesetzenden bestanden aus zwei Spektren und bezogen das Hinterhaus und den Seitenflügel getrennt. Der eine Teil bestand aus Menschen aus dem Umfeld der „Wildcat“ aus Westdeutschland und war eher klassisch autonom. Der Seitenflügel wurde von verschiedenen Menschen, viele davon aus der noch real-existierenden DDR besetzt. Die Gründe waren so divers wie die Besetzer*innenbewegung.
Nach der Räumung der besetzten Häuser in der Mainzer Straße war auch in der Rigaer 94 klar, dass eine militante Verteidigung der Häuser unrealistisch ist. So schwenkte auch sie auf den reformistischen Kurs fast aller besetzter Häuser um, legalisierte sich und bekam Mietverträge.
Später scheiterte der Versuch, das Gebäude selbst zu kaufen, weil ein pseudoalternativer Choleriker namens S. B. das Gebäude mitsamt der Nachbarhäuser erwarb und sich als Besitzer aufspielte. Er erreichte mehrere Räumungstitel gegen Teile des Hauses und ließ diese auch mit freundlicher Unterstützung der Bullen räumen. Dank der Sturheit der Bewohner*innen und der großen Unterstützung von außen, hatten diese Angriffe nur kurzzeitig Erfolg. Nach der Niederlage von B. konnte das Projekt durch Wohnungsbesetzungen stets erweitert werden und existiert in seiner heutigen Form.
Während der ganzen Zeit blieb das Haus, also die Bewohnenden, politisch aktiv und sie beteiligten sich an verschiedenen Kämpfen, nahm an Vernetzungstreffen teil, pushten Konflikte und forderten Organisierungen ein.
Während in vielen anderen Häusern nach und nach nur noch einzelne Menschen und kleine Zusammenhänge aktiv waren, blieb die 94 gleichzeitig auch ein aktiver Zusammenhang und versuchte das Unmögliche… .
Trotz oder gerade wegen des Drucks von außen, den wechselnden Eigentümer*innen und den Angriffen der Bullen gelang es, das Haus als Projekt zu halten, als aktive Gruppe zu existieren und den Kampf ums Ganze nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn dafür manchmal ein Fernglas notwendig war. So blieb das Haus kontinuierlich radikal und politisch-militant, auch in den verschiedenen Phasen ohne Angriffe von außen. Oft wurde das Ende des Hauses vorhergesagt und die Radikalität belächelt.
Im Gegensatz zu den leider geräumten oder ins Private zurückgezogenen Häusern, brennt hier noch immer die Flamme der Utopie.
https://rigaer94.squat.net/